Dr. Thomas Brotzler
            Fine-Art-Fotografie

            Rundschreiben
            Nr. 09|2014 

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Über das Schreiben in der Fotografie


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kunstfreunde,

in der letzten Woche erschien mein 250. Beitrag für den schweizerischen Fotoblog 'Fokussiert'. Ein kleines Jubiläum, wenn man so will, und so möchte ich den Anlaß für einen Rückblick und Ausblick und einige grundsätzliche Überlegungen zum Schreiben in der Fotografie nutzen.

Alles begann vor einigen Jahren mit sporadischen Beiträge für verschiedene Blogs. Die Reichweite und Wirkung meiner ersten Beiträge schätzte ich selbst zunächst eher bescheiden ein. Seitens meines ärztlich-therapeutischen Erstberufs war mir zwar das wissenschaftliche Schreiben, etwa für meine Promotion (Mitte der 90er) oder für Therapiebegründungen im Gutachterverfahren (bis heute), vertraut; einfaches bzw. populärwissenschaftliches Schreiben hingegen war mir bis dahin nicht wirklich geläufig.

Doch ging es mir nicht vordergründig darum, im erweiterten Sinne schreiben zu lernen. Mich interessierte, ob und inwieweit sich Erfahrungen aus Einzelunterricht und Workshops auch in Schriftform aufbereiten und weitergeben ließen. Und mich trieben zwei Eindrücke um, die sich während meiner Rückkehr zur Kunst und der Hinwendung zur Fotografie (in den Jahren nach der Jahrtausendwende) einstellten: selten schien das im Bereich der Online- und Printmedien Verfügbare über den Aspekt schlichter Gebrauchsanleitungen, über ein angewiesenes 'tue dies, lasse jenes' hinauszureichen und sich so als ein wirklich nützliches Instrument der kreativen Entwicklung anzubieten (natürlich gibt es hier Ausnahmen, erwähnt seien etwa die Bücher von Torsten Andreas Hoffmann, Michael Freeman oder George Barr); desgleichen schien die aufkommende digitale Bilderflut in einschlägigen Foren nur selten von vertiefter Analyse und Diskussion, sondern zumeist von Gefühlsaufwallungen und Schnellurteilen flankiert ("Boah ey ... schönes Bild ... +++ ...") - mithin also ohne ersichtliche Begründung und Berufung und somit auch ohne Lerneffekt für den Fotografen.

Solche Überlegungen begleiteten meinen Einstieg in die regelmäßige Tätigkeit für 'Fokussiert' und prägten die Art und Weise, wie ich seither Grundlagentutorials und Bildbesprechungen verfaßte: um schlichte Benotung sollte es dabei nicht gehen, um Verriß schon gar nicht; in einer konstruktiven Atmosphäre sollten weniger das fertige Ergebnis der Betrachtung wie vielmehr Wege zur Betrachtung vermittelt werden, wie Fotografie und einzelne Bilder also funktionieren, beim Betrachter Wirkung entfalten können.

Ob und inwieweit ich besagten Anspruch bereits umsetzen konnte, mögen andere besser beurteilen können wie ich selbst. In den bisherigen Diskussionen erfuhr ich vielfach positive Rückmeldung für meinen in jüngeren Jahren gelernten, auf der klassischen Bildanalyse basierenden Ansatz. Doch muß nicht verschwiegen werden, daß die dazugehörige, etwas sperrige Form und die Zurückhaltung in den Aussagen zur Gefühlsbedeutung und Existenzberechtigung des jeweiligen Bildes vereinzelt auch kritisiert wurde. Dies erscheint jedoch nicht als Beinbruch, eher als Ausdruck einer lebendigen Diskussionskultur, zu der ich ja beitragen wollte und offensichtlich auch konnte (und von der ich selbst schon manche Erkenntnis mitnahm).

Doch wird die hierfür benötigte Zeit langsam zum Problem. Nie hätte ich mir vor einigen Jahren träumen lassen, daß mich das Schreiben für die Fotografie dereinst so in Beschlag nehmen würde. Das zunächst für solche Zwecke reservierte Fünftel meiner Arbeitszeit zeigt mittlerweile Tendenz zum munteren Drittel, und es erreichen mich weitere Anfragen aus dem Bereich der Online- und Printmedien. Auf Dauer werde ich nicht umhin kommen, meine Engagements in Richtung ausreichender Zeit für meine Fotoprojekte und Ausstellungen (darum ging es mir ja zunächst) und angemessener Honorierung für das Schreiben (ich bestreite ja einen Teil meines Lebensunterhalts damit) zu sortieren.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Thomas Brotzler

 
28. August 2014