Dr. Thomas Brotzler
            Fine-Art-Fotografie


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            Nr. 13|2019

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»La Forêt de Brocéliande« - Fotoexkursion in einen sagenumwobenen Wald


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kunstfreunde,

die diesjährige Fotoexkursion in der ersten Oktoberhälfte führte mich in die östliche Bretagne. Zwischen Rennes und Ploërmel liegt das größte noch erhaltene, in sich geschlossene Waldgebiet der Bretagne. Es ist ein Rest des vormals weitläufigen Urwaldes, der sich auf heutigen Karten als Waldgebiet rund um Paimpont abbildet. Ich empfehle an dieser Stelle einen Mausklick auf die obige Kartenvorschau - im voreingestellten Browser öffnet sich dann ein größerer Ausschnitt in höherer Auflösung, der die geographischen Bezüge veranschaulicht.

Der Wald von Paimpont erscheint dem Besucher zunächst als ein in weiten Bereichen extensiv genutzter und insofern urwüchsiger, mehrgenerationaler Laubmischwald mit Buchen, Eichen und Ahorn. Solches findet sich auch bei uns vielerorts, ohne daß man in Vergleiche und gar Wertungen verfallen müßte - ein jeder sich selbst überlassene Wald, so meine ich, entwickelt mit der Zeit einen besonderen Charakter und ganz eigene Stimmungen; er lädt insofern jene, die sich darauf einlassen, zum Begehen und Schwelgen ein.

Was diesen bretonischen Wald so besonders macht, ist die darin verwobene Artussage  - aus dem geläufigen Mischwald heutiger Tage wird so die sagenumwobene Brocéliande . Alte Legenden und Überlieferungen werden vom modernen Tourismusmarketing recht pfiffig und erfolgreich eingesetzt, um die Leute anzulocken. Als »Disneylandisierung« empfand ich das Ganze aber nicht, zumal in der Nebensaison die Besucherströme überschaubar bleiben, keine Busladungen durchgekarrt werden und ein jeder vor Ort seinen eigenen Phantasien folgen kann.

Im Folgenden möchte ich gerne einige Stationen dieses Waldes in Bild und Text vorstellen. Wiederum gilt, daß ein Mausklick auf ein Vorschaubild eine bildschirmgroße Darstellung im voreingestellten Browser öffnet, welche das Bild zur Geltung bringt.

          

Die erste Station ist Le Val sans retour  (das Tal ohne Wiederkehr), auch als Le Val des faux amants  (das Tal der falschen bzw. untreuen Liebhaber) bezeichnet. Nach dem Anfang des 13. Jahrhunderts verfaßten Lancelot-Gral-Zyklus schuf Fée Morgane  (mit interessanten Querverbindungen zur Fata Morgana), die Halbschwester von Roi Arthur  , diesen Ort der Rache, nachdem sie in ihrer Liebe zum Chevalier Guyomard  schwer enttäuscht wurde und sich bei Merlin l'Enchanteur  die Zauberei abgeschaut hatte. Sie lockte an diesem Ort untreue verliebte Ritter in die Falle und hielt sie mit Zauberkraft fest. Erst Lancelot du Lac  konnte den Bann 17 Jahre später brechen und die zwischenzeitlich 253 dort Gefangenen befreien.

Mich selbst reizte die in ihrer Ausdehnung zwar überschaubare, gleichwohl vielgestaltige Auenlandschaft fotografisch sehr, auch wenn der Bach nach der für bretonische Verhältnisse enormen Sommertrockenheit nur noch ein Rinnsal war. Die Reichhaltigkeit des dort Vorgefundenen möchte ich mit den drei obenstehenden Bildern aufzeigen.

     

Die zweite Station ist La Fontaine de Barenton  (die Quelle von Barenton), um welche sich wiederum zahlreiche Legenden ranken. Beginnen wir mit dem nahegelegene Village de Folle-pensée (Dorf des verrückten Gedankens), welches seinen ungewöhnlichen Namen darüber erhalten haben soll, daß dem Quellwasser in keltisch-druidischer Zeit heilende Kräfte bei Geisteskrankheit zugesprochen wurden. Das kohlensäurehaltige Wasser wirft auch Blasen, was zur populären Vorstellung einer freundlichen, quasi lachenden und fruchtbarkeitsfördernden Quelle führte. »Ris, ris, fontaine de Barenton, je vais te donner une belle épingle« (Lache, lache, Quelle von Barenton, ich gebe Dir gleich eine schöne Haarspange), riefen junge Frauen dort einst und hofften, nach besagtem Blubbern bis zum nächsten Osterfest verheiratet zu sein.. Der Artussage entlehnt sind drei weitere Legenden - (1) des schon erwähnten Merlin l'Enchanteur , der sich der dort oft weilenden Fée Viviane  als Hirsch getarnt näherte und schließlich zu einem sowohl  durch Liebe wie auch Zauberei gefangenen Menschen wurde; (2) der Fähigkeit, unmittelbar Regen, Sturm und Gewitter auszulösen, wenn man einige Tropfen des Quellwasser auf den nahegelegenen Sandsteinblock Perron de Merlin schütte; (3) schließlich des Chevalier noir als Wächter der Quelle, welcher von alters her solch menschlichen Unfug unterbinden sollte und in diesem Sinne den Chevalier Calogrenant besiegte, später aber dem Chevalier Yvain unterlag, der daraufhin dessen Posten als Quellwächter übernahm.

Bei meinem Besuch fand ich weder schwarze Ritter noch Wolken vor. Nach der Trockenheit war die Schüttung sehr gering, so daß auch nichts blubberte. Wesentlich beeindruckender fand ich beim Hinweg das in den beiden obenstehenden Bildern gezeigte Ensemble des sich in die Höhe streckenden Waldes mit jenem schräg wachsenden Einzelbaum, der sich ebenso bester Gesundheit erfreute wie den Weg versperrte - wie ein Sinnbild steten menschlichen Ringens zwischen Anpassung und Eigenständigkeit gegenüber der Gesellschaft.

          

Als dritte und letzte Station möchte ich  schließlich den nahe Concoret gelegene Chêne à Guillotin  (die Guillotin-Eiche) vorstellen. Früher war sie als Le Chêne des Rues-Éon  bekannt, damit die Geschichte des Éon de l'Étoile  aufgreifend. Dieser war ein sehr komplexer Charakters des 12. Jahrhunderts, der offensichtlich Aspekte eines Propheten, Hexers und bretonischen Robin Hoods in sich vereinte und mit seinen Anhängern an diesem Ort wirkte. Dann gibt es noch jene Geschichte des aufmüpfigen Prêtre Joachim Masson, der sich Ende des 18. Jahrhunderts in einem unweit entfernten, ebenfalls hohlen Baum vor den Haschern der Französischen Revolution versteckte und wundersamerweise durch ein rasch gewirktes Spinnennetz seiner Entdeckung entging. Nachdem dieser Baum 1979 gefällt wurde, wurde diese Geschichte quasi auf den gleichsam aufmüpfigen Abbé Pierre Paul Guillotin  umgeschrieben - schlitzohriger Pragmatismus vom Feinsten, wie ich meine. Unbenommen vom historischen Wahrheitsgehalt all jener Überlieferungen beeindruckt der Baum durch Alter (1000 Jahre nach der Überlieferung, 500 Jahre nach neueren Meßmethoden) und Ausmaße (insbesondere des knapp zehn Meter betragenden Umfangs). Er ist seit 2017 auch in der Liste der Arbres remarquables de France  aufgeführt.

Jenseits aller Geschichten und Zahlen hatte mich die Präsenz dieses so freundlichen und altehrwürdigen Baumes vor Ort stark berührt. Ich hatte mit ihm sogleich Freundschaft geschlossen, wie etwa auch mit jenem Baum in den Pyrenäen, über den ich in c't Digitale Fotografie, Ausgabe 6/2016  schon einmal geschrieben hatte. Die drei obenstehenden Bilder sollen jenen Empfindungen vor Ort Ausdruck verleihen.

Es bleibt mir abschließend noch zu sagen, daß limitierte Auflagen der gezeigten Bilder in den unterschiedlichen Formaten (60x40, 45x30 und 24x16) verfügbar sind.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Thomas Brotzler


 
26. Oktober 2019